Frauenpower

Frauenpower

Im Rahmen einer Internet-Buchgruppe habe ich bei einer Listenaktion zum Thema „Frauenpower – 10 Lieblingsautorinnen“ mitgemacht. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich meine Liste auch hier gerne präsentiere:

Eine Auswahl zu treffen ist mir nicht leicht gefallen. Ich kann mich jedenfalls nicht über einen Mangel an Autorinnen in meinem Bücherregal beschweren  Einige, insbesondere deutschsprachige Autorinnen, die eigentlich auch einen Platz in meiner Liste verdient hätten, musste ich weglassen. Kerstin Gier, Ursula Poznanski, Zoe Beck fallen mir da ganz spontan ein. Als Krimi-Liebhaberin auch Agatha Christie. Ich lese generell sehr breit gefächert, von Klassik bis Fantasy über Jugendliteratur und Krimi bis hin zum historischen Roman. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in meiner Liste wieder. Egal in welchem Genre, gerne lese ich Geschichten, die im Umfeld von Schulen, Internaten oder Universitäten spielen. Auch das spiegelt sich in der Liste zum Teil wieder. Da ich mich bemühe, Romane im englischen Original zu lesen, sind die Titel und Zitate, soweit ich sie in Englisch gelesen habe, auch so aufgeführt. Hier also meine Auswahl:

* Charlotte Bronte – Jane Eyre

„So unvollkommen ist die menschliche Natur! Kleckse gibt es auf den reinsten Planeten, aber Augen wie die von Fräulein Scatcherd können nur diese geringfügigen Fehler sehen und sind blind für den vollen Glanz des Gestirns.“

Diesem Buch bin ich vor vielen Jahren begegnet. Und ich sehe es heute noch genau vor Augen, als ich es zum ersten Mal erblickte. Auf einem Streifzug durch die Bücherei war ich auf der Suche nach einem praktischen kleinen Roman, den ich auf eine einwöchige Exkursion mitnehmen konnte. Zwischen irgendwelchen dicken Schinken stieß ich auf ein kleines Schmuckbuch. Jane Eyre. Das Büchlein kam mit auf die Reise und vielleicht fühlte ich mich sofort mit dem Waisenmädchen verbunden, weil das Wetter miserabel war und wir bei Kälte und Regen in Zelten und dünnen Schlafsäcken übernachten mussten. Erschienen im Jahr 1847 ist Janes Geschichte zeitlos in ihrem Blick auf die menschliche Natur. Trotz der schlechten Behandlung ihrer reichen Verwandten, dem Verlust der ersten echten Freundin in der Schule und der unglücklichen Liebe zu ihrem Mr. Rochester, verliert das Mädchen nie den Lebensmut. Sie erkennt Ungerechtigkeiten und ist nicht bereit, diese zu akzeptieren. Sie zeigt damit für eine Frau in jener Zeit eine bemerkenswerte Stärke. Eine wunderschöne zu Herz gehende Geschichte mit einer liebenswerten Heldin, die sich niemals unterkriegen lässt.

* Jane Austen – Pride and Prejudice (Stolz und Vorurteil)

„It is a truth universally acknowledged that a single man in possession of a good fortune must be in want of a wife“

Mein Lieblingsklassiker schlechthin. Veröffentlicht im Jahr 1813 ist Pride and Prejudice nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern auch Kritik an einer Gesellschaft, in der es Frauen nur durch eine Heirat möglich ist, ihren Stand und ihr Auskommen zu wahren. So fällt der Besitz der Familie Bennet, die keinen Sohn, sondern fünf Töchter haben, im Falle des Todes des Vaters an einen entfernten Cousin. Kein Wunder, dass die Mutter alles daran setzt, die Töchter gut zu verheiraten. Ein Bestreben, das auch in dem berühmten, oben zitierten ersten Satz des Romans ausgedrückt wird. Elizabeth, die zweitälteste der Schwestern und die gescheiteste, ist aber bestrebt, nur aus Liebe zu heiraten. Vor allem den stolzen und arroganten Mr. Darcy würde sie niemals in Betracht ziehen, obwohl er eine überaus gute Partie ist. Es kommt natürlich anders. Jane Austen erzählt die Geschichte in einer großen Leichtigkeit, mit wenig Pathos und viel Witz. Wer das Buch mag, sollte sich unbedingt die romangetreue BBC-Verfilmung ansehen.

* J.K. Rowling – Harry Potter and the Prisoner of Azkaban

„I solemnly swear that I am up to no good.“

J.K. Rowling darf auch in meiner Liste nicht fehlen. Wie Harry sich in Hogwarts fühlt, so fühle ich mich immer, wenn ich in die Welt von Harry Potter eintauche: es ist wie nach Hause kommen. Die unglaubliche Fantasie, der Detailreichtum, die Mannigfaltigkeit der unterschiedlichen Figuren, die Vielfalt starker Charaktere, die Joanne K. Rowling erschaffen hat, ist einfach unbeschreiblich. Ich liebe es. Punkt. Mein absoluter Favorit der Reihe ist der dritte Band, der Gefangene von Azkaban. Sirius Black mein Lieblingscharakter.

* Elizabeth George – Well-schooled in murder

„An explanation had to exist for the change that had come upon Corntel in the seventeen years since Lynley had last seen him. People did not alter so drastically without a central cause. In this case it looked as if a burning or freezing at the core of the man now pushed forward to decimate the rest.“

Bei Krimis bevorzuge ich ganz klar die Britischen. Feiner Humor, weniger Aktion dafür mehr Psychologie. Ich habe mir den dritten der Krimiserie um Inspector Thomas Lynley und Detective Sergeant Havers ausgesucht, weil das Setting wieder in mein Beuteschema: Schule passt. Und Elizabeth George muss auf meine Liste, weil sie sehr dicht gedrängte, psychologische und charakterbasierte Krimis schreibt. Bei ihr steht ganz klar das Warum einer Tat im Vordergrund, nicht die Aufklärung des Verbrechens an sich. Dabei erschafft sie sehr komplexe und psychologisch ausgefeilte Charaktere. Nicht nur das ungleiche Ermittlerteam, der Inspektor mit dem adeligen Hintergrund und die aus einfachen Verhältnissen stammende Havers, deren Entwicklung sich über die Bände hinweg zieht. Auch der jeweilige Fall, die Mörder und Opfer werden aufs Kleinste skizziert. Das beschert ein Leseerlebnis, bei dem man als Leser ganz dicht dran am Geschehen und an den Personen ist. In diesem Fall geht es um einen Dreizehnjährigen, der aus den geschützten Mauern einer renommierten Schule verschwindet.

*Tana French – In the woods

„What I warn you to remember is that I am a detective. Our relationship with truth is fundamental but cracked, refracturing confusingly like fragmented glass.“

Dann mache ich gleich mal mit den Krimis weiter. Diesmal die irische Variante. Tana French ist eine fantastische Autorin, die auch noch sehr sympathisch ist. Ich durfte sie schon bei einer Lesung erleben. Sie erzählte, dass sie eine entdeckende Schreiberin ist. Das heißt, sie weiß während des Schreibens noch nicht, wie die Geschichte ausgehen wird, wer also der Mörder ist. Wenn sie das schon wüsste, würde ihr selbst beim Schreiben die Spannung fehlen. Und spannend sind die Geschichten um die Dubliner Mordkommission. Die Romane sind alle in der Ich-Perspektive eines der ermittelnden Kriminalbeamten geschrieben. Dadurch ist man als Leser sehr nah dran an den Ermittlungen und sehr nah am Protagonisten. Oft ist der Ermittler auch persönlich von dem Fall betroffen. Jeder einzelne Roman – es gibt bislang sechs – wird ein anderer der Polizisten zur Hauptfigur. Zumeist taucht er oder sie in den Büchern zuvor als eine Nebenfigur oder sogar nur eine Randfigur auf. Einer meiner Lieblinge ist dabei Frank Mackey, der im zweiten Band zuerst auftaucht und dann im dritten selbst zur Hauptfigur wird. Ich habe mich hier aber für das erste Buch entschieden, da French mich mit In the Woods (dt. Titel Grabesgrün) noch am meisten gepackt hat. Ich hoffe immer noch darauf, dass irgendwann ihr erster Protagonist Rob Ryan noch einmal zurückkehrt.

* Marion Zimmer Bradley – Gildenhaus Thendara

„Der Eid der Freien Amazonen: Von diesem Tag an entsage ich dem Recht zu heiraten, außer als Freipartnerin. Kein Mann soll mich di catenas binden, und ich werde in keines Mannes Haushalt als barragana leben. …“

Starke Frauen spielen im gesamten Werk von Marion Zimmer Bradley eine tragende Rolle. So gibt sie in den Fantasy-Adaptionen alter Legenden, wie Die Nebel von Avalon oder Die Feuer von Troja, Geschichte aus Frauensicht wieder. So wird aus der Hexe Morgana aus der Artus Sage, die kluge und weise Schwester eines schwachen Artus, die die uralten Kräfte ihres Volkes zu wahren versucht. Kennengelernt habe ich Bradley aber durch ihren Darkover-Zyklus. Darkover ist ein roter Planet weit entfernt von der Erde, auf dem es einen entfernten terranischen Außenposten gibt. So prallen zwei Welten aufeinander, die von Technik beherrschte terranische Zivilisation und die aristokratisch geprägte Gesellschaft von Darkover. Die Menschen von Darkover haben eine Gabe entwickelt. Das Laran. Eine Art telepathische Kraft unterschiedlichster Ausprägung. Gildenhaus Thendara habe ich ausgewählt, weil gerade die Geschichten um die Freien Amazonen von Darkover mich gepackt haben. Starke Frauen, die sowohl der aristokratischen Männergesellschaft, als auch den technikgesteuerten Terranern trotzen.

* Margaret Atwood – Alias Grace

„Sometimes when I am dusting the mirror with the grapes, I look at myself in it, although I know it is vanity. I think of all the things that have been written about me – that I am an inhuman female demon, that I am an innocent victim of a blackguard forced against my will, that I was too ignorant to know how to act ….. that I have blue eyes, that I have green eyes …. And I wonder, how can I be all of these different things at once.“

Atwoods bekanntestes Werk ist sicherlich „Der Report der Magd.“ Ich habe mich aber hier für Alias Grace entschieden. Um die wahre Geschichte einer der bekanntesten und mysteriösesten Frauen Kanadas der 1840er Jahre: Grace Marks, hat Atwood diese fiktive Erzählung gebaut, die ihr Leben nacherzählt. Grace Marks wurde als Sechzehnjährige zu lebenslanger Haft wegen des Mordes an ihrem Arbeitgeber, bei dem sie als Hausmädchen angestellt war, und dessen Geliebter verurteilt. Die wirklichen Abläufe und die Schuldigen des Mordes sind nie ganz aufgeklärt worden. Atwood lässt Grace ihre Geschichte selbst erzählen, indem sie einem Psychiater, der versucht ihre Begnadigung durchzusetzen, Bericht erstattet. Obwohl man so sehr nah in ihre Gefühlswelt blickt, bleibt auch hier bis zum Schluss unklar, ob Grace selbst weiß, was passiert ist, ob ihre Erinnerungslücken echt sind oder ob sie allen, die sich für sie seit Jahren einsetzen, etwas vorspielt. Das ist grandios geschrieben. Das Schicksal von Grace berührt und die Spannung bleibt bis zum Schluss aufrecht erhalten, obwohl man die Fakten der Geschichte kennt. Toll.

* Donna Tartt – The secret history

„I suppose at one time in my life I might have had any number of stories, but now there is no other. This is the only story I will ever be able to tell.“

Bisher ist The secret history das einzige Buch, das ich von Donna Tartt gelesen habe. Aber sicher nicht das letzte. Den Distelfink habe ich auch schon im Regal stehen. Ich habe mir zuerst dieses vorgenommen, weil es durch das Setting, eine Elite-Universität im abgelegenen New England, in mein Beuteschema passt: Es handelt von einer Gruppe Ausnahme-Studenten, die sich um einen charismatischen Professor für klassische Literatur sammeln und die Grenzen der Moral austesten. Das geht so lange gut, bis einer aus der Gruppe stirbt. Aus der Ich-Perspektive werden die Geschehnisse um den Tod von Bunny von einem der Studenten, dem einzigen Stipendiaten und deshalb unter ständiger Geldnot leidenden Richard, erzählt. Zwar baut sich die Geschichte gemächlich auf, trotzdem ist man von Anfang an total gebannt. Man hängt förmlich an Richards Lippen und folgt der Erzählung, weil man weiß, dass sie für einen der Gruppe tödlich enden wird. Welche Grenzüberschreitung hat schließlich zu der Tragödie geführt, wo nimmt das Schicksal seinen Anfang und gab es einen Zeitpunkt, in dem man es hätte verhindern können? Absolut lesenswert.

* Audrey Niffenegger – The Time Traveler’s Wife (Die Frau des Zeitreisenden)

„It’s hard being left behind. I wait for Henry, not knowing where he is, wondering if he’s okay. It’s hard to be the one who stays.“

Ein Buch, das einen nicht so schnell los lässt. Im Klappentext heißt es: >Dies ist die außergewöhnliche Liebesgeschichte zwischen Clare und Henry, die sich zum ersten Mal treffen, als Clare 6 Jahre ist und Henry 36. Sie heiraten als Clare 22 und Henry 30 ist. Unmöglich, aber wahr, denn Henry leidet unter einem ungewöhnlichen Gendefekt, bei dem seine genetische Uhr sich in periodischen Abständen resettet und er plötzlich in die Vergangenheit oder Zukunft gezogen wird. Vor dem Hintergrund dieser Kraft, die keiner von beiden verhindern oder kontrollieren kann, kämpfen sie darum, ein normales Leben zu führen. Eine unglaublich bewegende und unvergessliche Geschichte.<
So genau hab ich es auch empfunden. Ich war beim Lesen sehr häufig zu Tränen gerührt. Das ist eines dieser Bücher, die man nie vergisst. Eines der Bücher, nach denen ich immer suche. Und ab und zu findet man dann auch einen Schatz wie diesen.

* Rebecca Gablé – Das Lächeln der Fortuna

„Robin unterdrückte ein Schaudern. Für gewöhnlich mochte er haarsträubende Geschichten, aber nicht, musste er feststellen, wenn es um Leute ging, die er gekannt hatte.“

Es gibt einige Autorinnen, die ich in der Rubrik >Historische Romane< hätte auswählen können: Hillary Mantel oder die leider kürzlich verstorbene Andrea Schacht: Ich habe mich hier für die wohl bekannteste deutsche Autorin historischer Romane: Rebecca Gablé entschieden und zwar für das erste Buch in der Waringham-Saga: Das Lächeln der Fortuna. Der Roman spielt in der Zeit von 1360 bis 1399 in England: Gablé verknüpft das Schicksal einer fiktiven Person, hier Robert of Waringham, genannt Robin, mit dem Schicksal des englischen Königshauses. Ich bewundere die genauen Kenntnisse der englischen Geschichte von Gablé, aber noch mehr, wie sie die Geschichte für den Leser lebendig macht. Sie erzählt eine epische Familiengeschichte. Man leidet und lebt mit Robin, seinen Freunden und seiner Familie und fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. Die Geschichte hat all das, was für mich einen historischen Roman ausmacht.

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